Die Sieben Todsünden beim Investieren

Der Weg ins Anlegerparadies ist gepflastert mit gute Vorsätzen. Die Verlockungen am Wegesrand sind mannigfaltig: Ein Teufelchen verspricht schnelle Gewinne mit Optionen, ein andere flüstert einem heiße Aktienempfehlungen ins Ort, ein drittes verspricht todsichere fünf Prozent Rendite mit einem ganz besonderen Fonds-Geheimtipp.

Für Peter Frech, Fondsmanager beim Schweizer Vermögensverwalter Quantex, ist es kein Wunder, dass viele Anleger derart abgelenkt ständig Gefahr laufen, vom rechten Weg abzukommen und Versuchungen zu erliegen. „Ohne hier religiöse Gefühle verletzen zu wollen: Ein Blick auf dem Sieben Todsünden des Christentums kann helfen, auch bei der Geldanlage große Fehler zu vermeiden“, meint Frech. „Gemäß unsere Überzeugung ist das erfolgreiche Investieren vor allem eine negative Kunst, bei der es mehr darum geht, Fehler-und Verlustquellen auszuschalten, anstatt besonders brillante Erkenntnisse oder Handlugen anzustreben.“

Nach Ansicht des Experten kommt man ins Anlegerparadies also nicht mit Tugendhaftigkeit,  sondern vor allem durch das Unterlassen der übelsten Sünden.

AVARITIA (Geiz, Habsucht, Raffgier)

Diese Sünde meint das übersteigerte Streben nach materiellem Besitz. Vor lauter sparen und Geld vermehren sollten das Leben nicht vergessen werden. Viele Top-Manager und andere finanziell höchst erfolgreiche Leute gelangen irgendwann zu der Erkenntnis, dass ein paar Millionen weniger auch gereicht hätten und dass sich all das Geld nicht mehr in verpasste zeit mit Kinder, Partnern und Freunden oder ein schönes Hobby umwandeln lässt. Der Legendäre Investor und Multimilliardär Warren Buffett etwa bereut in seiner Biographie als Einziges, nicht mehr Zeit mit seinen Kindern verbracht zu haben.

Mildtätigkeit ist die Tugend der Nächstenliebe und helfenden Wohltätigkeit. Wer beim Investieren alles mehr oder weniger richtig macht, sollte hier nicht geizen.

GULA (Völlerei, Maßlosigkeit)

Wer zu Ausschweifungen und Maßlosigkeit neigt, unterliegt Gula. Anleger, die schnell reich werden wollen und sich nach den höchstmöglichen Renditen strecken, sind willkommene Opfer. Sei es, weil sie den neuesten Moden nachrennen, Kredithebel einsetzen oder immer nach der nächste Amazon-Aktien suchen. zehn Prozent im Jahr sind ihnen nicht genug, es müssen 100 oder besser 1.000 Prozent sein. in der Realität  resultiert dann meist eine schlechte Rendite oder der Totalverlust, da zu viele Anleger diese Lotterielose zum schnellen Reichtum kaufen wollen. Empirische Studien zeigen, dass Anlage mit einem hohen Hebel meistens zu teuer und ihr Risiko nicht wert sind.

Mäßigung ist die Tugend der Selbstbeherrschung und des Sinnes für die Realität. Langsam, aber stetig dazuzugewinnen, ist das Ziel. Eine vernünftige Diversifikation der Anlagen ist das einfachste Hilfsmittel zur Mäßigung. Es sollte dabei immer eine Strategie verfolgt werden, bei der ein Totalverlust des Vermögens unmöglich ist. Damit wird man zwar in den seltensten Fällen über Nach reich, doch das sollte vernünftigerweise auch nicht das Ziel sein. das Unglück vieler Lotto-Millionäre spricht diesbezüglich Bände.

ACEDIA (Faulheit, Feigheit, Ignoranz)

Diese Sünde bezeichnet übermäßige Faulheit. Ein Opfer von Acedia wird etwa, wer ohne nachzudenken oder Fakten zu prüfen einfach gute Stories und Anlagen kauft, die alle anderen kaufen. Dies endet meistens im Desaster. Immer dem gehypten Fonds oder EFT des Monats nachzurechnen, ist eine Variante davon. Alle Anleger, die ihre Hausaufgaben nicht mache, zu viel Gebühren zahlen oder zu lange mit schlechten Vermögensverwaltern zusammenarbeiten, unterliegen letztlich der Trägheit. Ebenso Anleger, die ihr Depot nicht regelmäßig ausmisten und sich nicht von Anlagen oder Beraten trennen, bei denen rational nur wenig Grund zur Hoffnung auf Besserung besteht. Eine Ausprägung der Faulheit und Ignoranz ist der weit verbreitete  Home Bias: Viele Anleger investieren nur im eigenen Land oder in Branchen, in denen sie selber arbeiten. Dies kann auf  Sicht keine optimale Strategie sein.

Fleiß ist die Tugend des zielstrebigen Arbeitens und Verstehen-Wollens. Viele wichtige Fortschritte beim Investieren lassen sich bereits mit relativ wenig Aufwand erreichen: Zum Beispiel das Vermeiden komplexer und meist überteuerte Anlageinstrumente wie strukturierte Produkte. Wer nicht selbst mitdenkt und etwas Recherche betreibt, wird in der Finanzwelt schnell zum Opfer. Ohne ein Mindestmaß an Fleiß gibt es an der Börse  auf lange Sicht keinen Preis zu holen. Im Zweifelsfall ist sonst eine simple und gebührengünstige Strategie mit Index ETF vorzuziehen.

IRA (Zorn, Rachsucht, Bitterkeit)

Wie Gift in der Seele brennt das Verlangen nach Rache und zu seinem Recht zu kommen. Beim Investieren liegen Anleger naturgemäß ständig falsch und sehen alt aus. Dabei ist es nur allzu menschlich, mit Wut auf die Frustration zu reagieren und anderen die Schuld für das eigene Versagen zu geben. Wie beim Poker kann man auch an der Börse ausrasten und in den Tilt Modus geraten: Das sinnlose Nachkaufen von Positionen im Verlust etwa, um den Breakeven wieder zu erreichen und doch noch Recht zu bekommen, ist eine Ausprägung davon.

Chronischer wird die Sünde bei Verschwörungstheoretikern, laut denen geheime Kräfte wie die Zentralbanken oder ominöse Zirkel von Großinvestoren die eigenen Anlagestrategien ständig sabotieren.

Geduld ist die Fähigkeit, zu warten und Rückschläge zu ertragen. Wenn etwas schief läuft bei der Geldanlage, sollte der Fehler nicht bei anderen, sondern bei einem selbst gesucht werden.  Meisten handeln es sich ohnehin um Dinge, die niemand verlässlich hätte voraussehen können. Phasen der Frustration liegen in der Natur des Anlagegeschäfts. Manchmal muss man sich auch nur etwas länger gedulden, bis man doch noch Recht bekommen – jedoch ohne sich darauf zu versteifen.

LUXURIA (Wollust, Genusssucht)

Diese Sünde besteht darin, sich zu sehr von seinen Emotionen und der Lust des Augenblicks treiben zu lassen. wer den schnellen Gewinn oder den Kick des Glücksspiels an der Börse sucht, ist ein Opfer von Luxuria. Ebenso alle Anleger, die zu viele Spontanentscheidungen treffen. Wer seinen Vorlieben nachgeht und nur in seine Lieblingsaktien, -Länder oder -Sektoren investieren, macht über kurz oder lang einen schweren Fehler. Ebenso Fondsmanager, die zu viele Firmenbesuchen und Managemeetings absolvieren, die vor allem ihrem persönlichen Vergnügen dienen. Oder wenn sie dabei nur Fragen so stellen, dass sie zu hören bekommen, was sie hören möchten. der Confirmation Bias  aus der Behavioral Finance geht folglich aus Luxuria hervor.  Wichtige Fakten und unangenehme Realitäten auszublenden, ist die größte Gefahr, die von dieser Sünde ausgeht.

Enthaltsamkeit ist die Tugend, welche die Gefühle und Emotionen des Augenblicks im Zaum hält. Ein strukturierter Anlageprozess hilft dabei. Im Zweifelsfall sollte jede Anlageentscheidung einmal überschlafen werden,  um die Gefühle abklingen zu lassen.

INVIDIA (Neid, Eifersucht)

Das Übel des Neids besteht darin, sich mit anderen zu vergleichen und haben zu wollen, was andere haben. Beim Investieren äußert sich Invidia am offensichtlichsten in der Angst, etwas zu verpassen (`Fear of missing out“). Die Sünde führt direkt zum sprichwörtlichen Herdentrieb der Anleger. Beispielweise ist so gut wie jede Immobilienblase ein Produkt des Neids: Weil praktisch jeder Freunde und Verwandte mit Immobilienbesitz kennt, verbreitet sich schnell das Gefühl, alle würden damit reich – außer man selbst, wenn man nicht bald auch ein Haus oder eine Wohnung kauft.

Wohlwollen ist die Tugend, die anderen die Freude an ihren Gewinnen lässt. Oft sind es ohnehin nur Buchgewinne, da nicht alle Leute zusammen reicher werden können. Natürlich hilft es auch, ständige Vergleiche mit anderen zu unterlassen. Wer Mühe hat, sich dem Neid zu entziehen, sollte Freundschaften außerhalb der Finanzwelt pflegen.

SUPERBIA (Hochmut, Stolz, Eitelkeit)

Dies ist die wohl häufigste Sünde beim Investieren, auch unter Fondsmanagern und anderen professionellen Anlegern. Im Kern geht es um die Weigerung, die menschliche Fehlerhaftigkeit anzuerkennen und entsprechend die eigenen Fähigkeiten grandios zu überschätzen. Der Hochmut manifestiert sich etwa in zu häufigem Traden, der Verwendung von Kredithebeln und Optionen beim Investieren oder der generellen Verbreitung von Prognosen als Basis für Anlageentscheide. Die empirische Beweislage ist eindeutig: Gerade sogenannte Experten, die genau zu wissen scheinen, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln werden.

 

Demut ist die Tugend, welche den Hochmut um Zaum hält: Die Fehlerhaftigkeit von Prognosen anzuerkennen oder sie gleich ganz sein zu lassen etwa ist demütig. Ebenso der Verzicht auf die Verwendung von gehebelten Investments, die ja letztlich darauf beruhen, dass man exakt zu wissen glaubt, was die Zukunft bringt. Demut hilft auch dabei, Positionen rechtzeitig zu verkaufen, besonders solche mit Verlust: Man sieht, dass man eine Fehler gemacht hat zieht weiter zu besseren Anlagegelegenheiten.